Mit Stand Oktober 2020 werden im Rahmen des Coron-A-Projektes 27 Kläranlagen in ganz Österreich untersucht. Bei der Auswahl der Standorte wurde auf eine gleichmäßige Verteilung über die Bundesländer geachtet. Zudem wurden unterschiedlich große Kläranlagen, mit unterschiedlich großem Einzugsgebiet ausgewählt. Dadurch sind in der Studie sowohl große Städte mit vielen Einwohnern, als auch kleinere Anlagen in touristischen Einzugsgebieten dabei.
Mit heutigem Stand des Wissens gibt es keinen Beweis für eine über den Stuhl oder das Abwasser übertragene humane Infektion. In unserem Forschungsprojekt kann das genetische Material, die Ribonukleinsäure (RNA) des Coronavirus im Abwasser nachgewiesen werden. Dieser Nachweis liefert jedoch keine Information darüber, ob die Partikel noch infektiös sind und beim Menschen Krankheiten verursachen können. In mehreren Studien konnte bislang noch kein infektiöses Virus im Abwasser gefunden werden. Andere Studien haben infektiöse Viruspartikel im Stuhl nachgewiesen.
Nein, nicht alle Menschen die mit dem Coronavirus infiziert sind, scheiden auch Viruspartikel über den Stuhl aus. Eine große Studie, in der die Daten von insgesamt 21 anderen Studien analysiert und auswertetet wurden, ergab, dass durchschnittlich 66% der COVID-19 Patienten Viruspartikel im Stuhl haben. Einige infizierte Menschen haben dabei höhere Anteile als andere unabhängig davon, ob und wie viele Symptome sie aufweisen und unabhängig vom Krankheitsverlauf.
Die Methode, die in dieser Studie benutzt wird, sucht nach dem genetischen Material des neuartigen Coronavirus. Dieses genetische Material ist die Ribonukleinsäure (RNA). Das Abwasser kann Fragmente dieser Coronavirus RNA in unterschiedlichen Längen enthalten und die Methode erkennt diese Fragmente. Wenn nun Viruspartikel im Abwasser gefunden werden, heißt das, dass Fragmente des genetischen Materials des neuartigen Coronavirus im Abwasser vorhanden sind. Das wiederum bedeutet, dass es Menschen gibt, die mit dem Coronavirus infiziert sind. Jedoch lässt sich aufgrund der Anwesenheit von Viruspartikeln nicht sagen, ob diese Partikel im Abwasser infektiös oder harmlos sind.
Steigende und fallende Trends in der Anzahl der Viruspartikel im Abwasser sind sehr wichtig. Beides konnte im Laufe der Corona-Pandemie bereits festgestellt werden. Zum Start der Pandemie konnten steigende und fallende Infektionszahlen beobachtet werden. Dies war auch bei der Anzahl der Viruspartikel im Abwasser der Fall. Besonders gute Daten gibt es dazu aus den Niederlanden. Seit Ende August 2020 nimmt die Anzahl der Viruspartikel im Abwasser wieder zu, was auch mit den steigenden Infektionszahlen der Bevölkerung übereinstimmt. Wenn mehr Viruspartikel im Abwasser gefunden werden, bedeutet das, dass mehr Partikel durch den Stuhl infizierter Menschen ins Abwasser gelangen. Nun gilt es herauszufinden, ob dies auch bedeutet, dass es mehr infizierte Menschen gibt.
Zurzeit wird ein Modell entwickelt, das auf der Anzahl der Viruspartikel im Abwasser und der Abwassermenge, die im Laufe der Zeit durch eine Kläranlage fließt, basiert. Es wird auf Basis neuer Daten laufend adaptiert. Erst nach Validierung des Modells lassen sich Rückschlüsse auf die Anzahl der infizierten Personen ziehen. Dabei handelt es sich jedoch um eine grobe Schätzung, da nicht alle mit COVID-19 infizierten Personen auch nachweisbare Viruspartikel im Stuhl haben. Es gibt große Unterschiede, einige Infizierte haben einen deutlich höheren Anteil und andere scheiden gar keine Viruspartikel aus.
Die Corona-Abwasserforschung konzentriert sich auf die Untersuchung des Abwassers einer großen Anzahl von Menschen und kann kein einzelnes Individuum zurückverfolgen. Die Information kann jedoch genutzt werden, um Rückschlüsse auf das Einzugsgebiet einer bestimmten Kläranlage zu machen. Dies kann beispielsweise ein Dorf, eine Stadt oder mehrere Gemeinden einschließen. Die Viruspartikel der infizierten Personen gelangen über die Toiletten ins Abwasser und weiter in die Kläranlagen. Somit kann von jeder Kläranlage auf ein gewisses Einzugsgebiet geschlossen werden.
Die Resultate der Abwasserforschung werden so verarbeitet, dass die Daten auf die Abwassermenge aus Haushalten umgerechnet werden.
Menschen die in den Kläranlagen arbeiten, sollten direkten Kontakt zum Abwasser vermeiden. Dazu zählt auch das Einatmen der aus dem Wasser aufsteigenden Gase. Abwasser beinhaltet immer viele verschiedene Arten von pathogenen Mikroorganismen, unter anderem aus dem Stuhl kranker, aber auch gesunder Menschen. Die Krankheitserreger werden über die Toiletten ins Abwassersystem eingeleitet und gelangen mit dem Abwasser in die Kläranlagen. Menschen, die mit Abwasser arbeiten, müssen die persönlichen Schutzmaßnahmen einhalten, um einen wirksamen Schutz gegen die verschiedenen Krankheitserreger einschließlich der Coronaviren, zu erhalten. Dafür müssen sie u.a. eine persönliche und geeignete Schutzausrüstung tragen. Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen für sicheres Arbeiten mit Abwasser sind im Arbeitsschutzkatalog der Wasserwirtschaftsbehörde festgelegt. Zudem ist es sehr wichtig, dass sich Angestellte einer Kläranlage an die allgemeinen Hygiene-Maßnahmen halten.
Im Moment kann die Anzahl der Viruspartikel im Abwasser nicht dafür benutzt werden, um die Anzahl der Personen zu bestimmen, die Viruspartikel über den Stuhl ins Abwasser brachten und somit infiziert sind. Es wird aber ein Modell entwickelt, das auf der Anzahl der Viruspartikel im Abwasser und der Durchflussmenge durch eine Kläranlage über der Zeit beruht. Hierbei fließen jedoch viele weitere Faktoren ein. Durch dieses Modell soll es möglich werden, die Anzahl infizierter Menschen, aus denen die Viruspartikel stammen, abzuschätzen.
Die Menge an Regen beeinträchtigt nicht die Analyse an sich, jedoch hat sie einen Einfluss auf die Anzahl der Viruspartikel pro Milliliter. Wenn es mehr regnet, erhöht sich die Menge des Abwassers und die Anzahl der Viruspartikel pro Milliliter sinkt. Die Probe wird also verdünnt, was die Rohdaten beeinflusst. Bei der Berechnung der Ergebnisse wird das berücksichtigt.
Ein/e Mitarbeiter/in der Kläranlage entnimmt eine Abwasserprobe. Diese Probe wird dann gekühlt ins Labor transportiert. Das genetische Material (die Ribonukleinsäure) des neuartigen Coronavirus wird aus der Abwasserprobe isoliert. Dann wird eine molekulare Nachweismethode namens PCR mit dem isolierten genetischen Material durchgeführt. Durch den Vergleich der Resultate mit einer vordefinierten Menge von Viruspartikeln ist es zudem möglich, die Anzahl der Coronaviruspartikel zu bestimmen.
Coron-A ist ein Forschungsprojekt und kein flächendeckendes Monitoring-Projekt. Die derzeit ausgewählten Kläranlagen mit ihren Proben dienen der Beantwortung von methodischen Fragestellungen.
Mit dem Forschungsprojekt Coron-A können standortspezifische Informationen über die Verbreitung des Coronavirus in Österreich gesammelt werden. Dies beinhaltet die Anzahl der Viruspartikel im Abwasser im Einzugsgebiet einer Kläranlage. Diese Zahl korrespondiert mit der Anzahl durch von Menschen ausgeschiedenen Viruspartikeln über den Stuhl. Die Abwasserforschung könnte als eine wichtige Ergänzung zu den Ergebnissen anderer Studien, um das neuartige Coronavirus bestmöglich zu überwachen, genutzt werden. Im Idealfall wird das Forschungsprojekt ein Werkzeug liefern, einen möglichen erneuten Ausbruch des Coronavirus regional zu erkennen, um umgehend darauf zu reagieren.
Nach der Kalibrierung und ausgiebigen Testung der Methode kann mit Abwasseruntersuchungen die Ausbreitung des Coronavirus im ganzen Land verfolgt werden. Die Abwasserforschung stellt dabei ein wertvolles Instrument zur Untersuchung und Überwachung des Coronavirus dar und gibt die Möglichkeit zur sofortigen Erkennung und Intervention im Falle einer möglichen Verschlechterung der Situation bzw. einer erneut starken Ausbreitung des Virus. Somit eröffnet diese Forschung eine sehr gute Ergänzung zu den nationalen COVID-19 Überwachungen, wie beispielsweise dem Testen von Personen mit Symptomen.
Abwasserforschung wird in zahlreichen Ländern der Welt betrieben, aus nur wenigen Ländern sind jedoch Berichte über Abwassermonitoring bekannt. Nur um ein Beispiel zu nennen, in den Niederlanden betreiben das RIVM (National Institute for Public Health and the Environment) und das KWR Water Research Institute Abwasserforschung in den Kläranlagen. Die Daten werden über das ´coronavirus dashboard` der niederländischen Regierung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch in den USA, Kanada, Ungarn und Spanien wird Abwassermonitoring betrieben und Ergebnisse veröffentlicht. Das Coron-A Projektteam steht mit ForscherInnen aus den USA, den Niederlanden und Australien im regen Austausch.